Depression und chronischer Schmerz

Depression und chronischer Schmerz – zwei Seiten derselben Medaille

Chronische Schmerzen belasten nicht nur den Körper – sie wirken sich auch auf die Psyche aus. Umgekehrt gilt: Menschen mit Depressionen berichten häufiger über körperliche Schmerzen. Diese enge Verbindung ist in der Schmerzmedizin bekannt – und sie lässt sich mittlerweile auch auf biologischer Ebene gut erklären.

Häufigkeit und Zusammenhang

In der Allgemeinbevölkerung liegt die Lebenszeitprävalenz einer Depression bei etwa 16 bis 20 %. Bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen ist dieser Anteil deutlich höher: Bis zu 50 % der Betroffenen mit sogenannten zentralnervösen Schmerzverarbeitungsstörungen (Central Sensitivity Syndromes, CSS) leiden zusätzlich unter mittelgradigen bis schweren Depressionen.

CSS umfasst chronische Schmerzformen wie Fibromyalgie oder das Reizdarmsyndrom – Erkrankungen, bei denen Müdigkeit, Schlafprobleme und depressive Phasen häufig gemeinsam auftreten.

Gleichzeitig zeigen Studien: Auch bei Menschen mit Depressionen treten häufiger körperliche Beschwerden auf – vor allem Kopf-, Rücken– und viszerale (innere) Schmerzen.

Was passiert im Gehirn?

Schmerz und Stimmung werden in verschiedenen, aber eng verknüpften Hirnregionen verarbeitet. Die emotionale Komponente des Schmerzes – also das „Leiden“ – entsteht im limbischen System, dem anterioren cingulären Cortex und dem präfrontalen Cortex. Genau hier zeigen sich bei Menschen mit chronischen Schmerzen strukturelle Veränderungen, etwa in Form von Gewebeabbau (Atrophien). Interessanterweise findet man ähnliche Veränderungen auch bei Menschen mit Depressionen.

Ein gemeinsamer Faktor scheint der Wachstumsfaktor BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) zu sein. Er ist wichtig für die Neubildung von Nervenzellen, besonders im Hippocampus – einer Region, die für Gedächtnis, Stimmung und Motivation entscheidend ist. Bei Schmerz- und Depressionspatienten ist die BDNF-Aktivität oft reduziert, was vermutlich zu den beobachteten Veränderungen im Gehirn beiträgt.

Therapie mit Antidepressiva – auch bei Schmerz

Nicht nur die Ursachen überschneiden sich – auch in der Behandlung gibt es Schnittmengen. Einige Antidepressiva wirken nicht nur stimmungsaufhellend, sondern auch schmerzlindernd. Entscheidend ist dabei die Wirkung auf das Noradrenalin-System, das eine hemmende Funktion auf die Schmerzweiterleitung im Rückenmark hat.

Umgekehrt gibt es auch Schmerzmedikamente mit antidepressivem Potenzial: Ein Beispiel ist Esketamin, das über einen komplexen Mechanismus die Ausschüttung von BDNF fördert – und damit sowohl gegen depressive Symptome als auch gegen Schmerzen wirken kann.

Fazit

Die enge Verbindung zwischen Depressionen und chronischen Schmerzen ist kein Zufall. Beide Erkrankungen greifen ineinander – psychisch, neurologisch und biochemisch. Wer in der Schmerztherapie langfristig erfolgreich sein will, sollte deshalb immer auch die seelische Verfassung mit in den Blick nehmen.