Wirkung - Nebenwirkung - Wechselwirkung
Seit vielen Jahrtausenden lernen wir, wie zunächst Pflanzen, dann Pflanzenextrakte, später synthetisch hergestellte Medikamente welche Veränderungen in unserem Körper hervorrufen. Neben dem Wirkstoff ist es bekanntlich auch die Dosis der verabreichten Substanz, die das „Gift“ ausmacht. Medikamente haben mitunter nicht nur die gewünschte Wirkung, sondern auch störende Nebenwirkungen. Die meisten Schmerzmittel verursachen so z.B. Müdigkeit als unerwünschte Nebenwirkung. Punktuell kann man Nebenwirkungen auch gezielt nützen. Manchmal sind die Nebenwirkungen aber auch so stark, dass die Therapie mit diesem Medikament abgebrochen werden muss. Mittelstarke und starke Schmerzmedikamente verursachen bei ca. einem Viertel der Patient:innen starke Übelkeit, die sich auch bei längerer Einnahme nicht wesentlich bessert. Dann muss auf ein anderes Medikament ausgewichen werden.
Noch komplizierter wird es, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden. Mit ausreichend klinischer Erfahrung und auf Basis von Datenbanken kann dann abgeschätzt werden, welche Medikamente mit einander kombiniert, welche Nebenwirkung verursachen und wie sie mit einander interagieren werden (Wechselwirkungen). Die Medikamenten können einander gegenseitig hinsichtlich Wirkdauer- und stärke positiv wie negativ beeinflussen. Und was für Wirkung gilt, gilt auch für etwaige Nebenwirkungen, auch diese können erst du ein zusätzliches Medikament auftreten, klinisch noch relevanter werden, etc.
Einzigartiges genetisches Profil
Sämtliche Medikamente werden von unserem Körper als Fremdstoffe erkannt und über das spezielle Enzymmuster Cytochrom P450 abgebaut. Aktuell kennen wir fast sechzig Isoenzyme, die teilweise alleine, teilweise hintereinander für den Abbau der Fremdstoffe, sprich Medikamente verantwortlich sind. Die Enzymmuster sind genetisch bedingt höchst individuell und deshalb verträgt nicht jeder Mensch alle Medikament gleich gut.
Die Dinge sind aber noch etwas komplizierter… Manche Medikamente werden über das CYP P450 Enzym abgebaut und dann über Nieren und Leber ausgeschieden. Das kann beim einen besser, beim anderen schlechter und langsamer funktionieren, dann würde der Medikamentenspiegel eventuell höher sein und langsamer abfallen. Manche werden allerdings in einer inaktiven Form („Prodrug“) verabreicht und müssen erst durch dieses Enzymmuster aktiviert werden. Sollte dann ein Enzymmangel vorliegen, würde gleich gar kein relevanter Blutspiegel aufgebaut werden können, sprich, es käme zu keiner klinischen Wirkung, die/der Patient:in würde trotz „normaler“ Dosen von keinem Effekt, eventuell aber von den typischen Nebenwirkungen berichten.
Personalisierte Medizin für eine präzise, individuelle Medikation/Behandlung
Personalisierte Medizin hinsichtlich des verwendeten Medikamentes und der therapeutischen Dosis ist in vielen Bereichen bereits heute Standard. Spezielle Chemotherapien dürfen ohne vorhergehender, individueller, pharmakogenetischer Analyse gar nicht verabreicht werden. Aber auch „einfache“ Antidepressiva werden auf Grund unterschiedlicher genetisch bedingter, pharmakogenetisch nachweisbarer Unterschiede unterschiedlich vertragen. Deswegen sind Psychiater bereits nach wenigen erfolglosen Medikamentenversuchen dazu übergegangen, die Antidepressiva-Therapie individuell an Hand der spezifischen Abbaussysteme zu optimieren.
Auch bei der Schmerzmedizin macht personalisierte Medizin in vielen Situation absolut Sinn und beschleunigt immer häufiger den Weg zu einem Leben mit weniger Schmerzen. Eben weil es gerade auch bei den verschiedenen Schmerzmedikamenten relevante pharmakogenetische Einflüsse gibt, habe ich noch eine Genetikstudium absolviert, um die durchaus komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen besser zu verstehen.
Grundsätzlich profitiert jede/r von dieser Analyse, sobald die Notwendigkeit für laufende Medikation besteht.
Leider werden aktuell pharmakogenetische Analysen bis auf wenige Ausnahmen (z.B. onkologische Therapien) nicht von der gesetzlichen Krankenkasse oder etwaigen Zusatzversicherungen übernommen, d.h. die Patient:innen müssen die Kosten selbst tragen.
Deshalb bin ich aktuell mit der Indikation für die Analysen sehr zurückhaltend. Sollten jedoch Standard-Schmerzmedikamente in „normalen“ Dosen nicht vertragen werden, sei es, dass nicht beherrschbare Neben- oder Wechselwirkungen auftreten, sei es, dass überhaupt keine Wirkung feststellbar ist, ist so eine genetische Zusatzuntersuchung durchaus sinnvoll und anzuraten.
Nachdem viele meiner Patient:innen schon zuvor einige erfolglose Therapieversuche hinter sich haben, führen wir diese Analysen regelmäßig durch und begleiten gerne auch Sie hin zu einer individuellen Therapie auf Basis Ihrer pharmakogenetischen Besonderheiten.
Zunächst muss die interessierte Person umfassend über das Wesen einer genetischen Analyse informiert werden und dieser auch schriftlich zustimmt haben. Bei einer pharmakogenetischen Analyse werden ausschließlich die pharmakogenetisch relevanten Enzymmuster der/s Betroffenen analysiert. Es wird keinerlei Information über die Wahrscheinlichkeit von unterschiedlichen Krebsarten, Abstammung, Lebenserwartung etc. gesammelt oder analysiert.
Aktuell sind zwei größere Labore mit pharmakogenetischen Analysen am österreichischen Markt vertreten, die sich sowohl hinsichtlich der Kosten, als auch der Analysequalität unterscheiden. Analysematerial kann sowohl über eine Blutabnahme oder Wangenabstrich gewonnen werden. Das Material wird an das jeweilige Labor geschickt, das die Probe bearbeitet. Nach spätestens einem Monat liegt das Ergebnis digital vor und wird mit der/m Betroffenen anlässlich eines Folgebesuches besprochen.